Sonntag, 1. März 2009

Objekt des Monats März

Der nur 21 Zentimeter hohe Krug aus grau-blauem Westerwälder Steinzeug gibt uns Einblicke in Lebensbereiche, in die Frühzeit des Steinzeugs, die uns ansonsten weitgehend verschlossen bleiben. Es ist ein Fenster in die Welt ausschweifender Feste und Tänze der Renaissance. Das vollständig erhaltene Gefäß wurde im Westerwald nach einer Vorlage aus Raeren bei Aachen gefertigt. Es trägt auf dem Bauch eine Motivfolge unter Arkaden tanzender Paare.

Marz

Eine ketzerisch-soziale Gesinnung

Die graphischen Vorlagen sind in den 1537 entstandenen Kupferstichen des Dürerschülers Hans Sebald Beham zu suchen. Der Maler, Holz- und Kupferstecher Hans Sebald Beham wurde 1500 in Nürnberg geboren. Im Jahre 1525 verwies man ihn zusammen mit seinem Bruder "wegen ihrer ketzerisch-sozialen Gesinnung" aus der Heimatstadt. Hans Sebald Beham übersiedelte nach Frankfurt am Main, wo er seine meisten Graphiken fertigte. Bis heute haben sich aus seiner Hand 235 Kupferstiche und 310 Holzschnitte erhalten.

Tanzend durch die Monate

Die Darstellung auf dem Krug aus dem Keramikmuseum Westerwald zeigt ein sinnenfrohes Bauernfest. Es versinnbildlicht auch die zwölf Monate des Jahreslaufes und entspricht damit dem Zeitgeschmack, wie er auch in den Arbeiten von Pieter Breughel d. J. oder David Teniers wiederkehrt.

Auf zum Tanz

Getanzt wird der deutsche Drehtanz, die Allemande, in dessen zweiteiligem Ablauf nach einem ersten ruhigen, geschrittenen Abschnitt ein schneller, gedrehter und gesprungener folgt. Auf dem Westerwälder Krug sind eine Musikanten- und sieben Tanzszenen erhalten, die in der Vorlage Behams den Monaten Februar, März, April, Juni, Juli, September und November entsprechen. Die Tänzerinnen tragen knöchellange Kleider, teils mit Stulpenärmeln, Schösschen oder Hüftband und Gürtel. Neben geflochtenen Haaren sind ein gebundenes Kopftuch und Hauben abgebildet. Dazu treten halbhohe Lederschuhe. Die Kleidung der Tänzer umfasst Mäntel und lange Röcke, einen Anzug mit Puffärmeln, Krempenhüte, Kopftücher, Mützen und ein Barett sowie Halbschuhe und Schaftlederstiefel. Diese Tracht wird durch Beutel, Degen und eine Holzflöte ergänzt.

Ein verpöntes Vergnügen

Über die Tanzweise gibt das "gottselige Traktat vom ungottseligen Tanz" Auskunft, in dem Johann von Münster 1594 die Verwerflichkeit der Allemande darstellt:

"Die deutsche allgemeine Tanzform bestehet hierinnen, dass, nachdem bei den Pfeiffern und Spielleuten der Tanz zuvor bestellet ist, der Tänzer ...aus allen allda gegenwärtigen Jungfrauen und Frauen eine Tänzerin...sich erwähle, dieselbe mit Reverentz als mit Abnehmung des Hutes, Küssen der Hände, Kniebeugen, freundlichen Worten und anderen Ceremonien bittet, dass sie mit ihm einen lustigen, fröhlichen und ehrlichen Tanz halten wolle. Diese hochnöthige Bitte schlägt die begehrte Frauensperson nicht leichtiglich ab, so unangesehen auch der Tänzer, bisweilen ein schlimmer Pflugbengel, oder ein anderer unnütz vollgesoffener Esel...ist. Wenn die Person bewilligt hat...treten sie beide hervor, geben einander die Hände und umfangen und küssen sich, nach Gelegenheit des Landes, auch wohl recht auf den Mund... Darnach...halten sie ernstlich den Vortanz, derselbe gehet mit ziemlicher Gravität ab. ..., in dem Nachtanz gehet es was unordentlicher zu, als in dem vorigen. Denn allhier des Lauffens, Tummelns, Handdrückens, heimlichen Anstoßens, Springens und bäurischen Rufens und anderer ungebührlicher Dinge, die ich der Ehren halber verschweige, bis dass der Pfeiffer die Leute ... durch sein Stillschweigen geschieden hat..."

In Anbetracht dieser Unsitten wurde mit einer ganzen Reihe von Kirchenpredigten, Ratsedikten oder gar Verboten versucht, die verbreiteten aber unschicklichen Tänze zu unterbinden. Trotzdem erfreute sich die Allemande auch beim Adel großer Beliebtheit. So tanzte Casanova noch im Jahre 1759 am Hofe des Kurfürsten von Köln eine gedrehte Allemande, bei der die Tänzerin zu küssen war. Auch die Bezeichnung "Wüster Weller" für den aus den Drehtänzen hervorgegangenen Walzer belegt, dass sich der deutsche Drehtanz weiterhin der Wohlanständigkeit entzog.

Das Gefäß zeigt nicht nur die Beliebtheit derber Tänze auch in den Städten, für die die Westerwälder Kannenbäcker die Keramik zu Tausenden fertigten. Auf der Kanne fehlt leider der für ältere Stücke aus Raeren typische Spruch. Er zeugt von einem gewissen Spott über die Landbevölkerung. Seine vollständige Übertragung aus dem Raerener Dialekt in das Hochdeutsche kann wie folgt gelesen werden: Gerhard, du musst tapfer blasen, so tanzen die Bauern als wären sie rasend; "los, auf!" spricht Pastor, "ich vertanze die Kappe, den Amikt [Schultertuch] und den Chomzantel". Dieser Spott trifft auch den Pastor in seiner engen Verflechtung mit dem weltlichen Brauchtum der Bauern, vertanzt dieser doch seine gesamte Amtstracht.

Bauerntänze waren ein beliebtes Motiv auf Krügen aus dem Kannenbäckerland. Sie finden sich auch auf Steinzeug aus Raeren und Siegburg. Eine Reihe dieser Gefäße trägt Jahreszahlen, die eine Produktion in Raeren zwischen 1576 und 1598 belegen. In diesem Zeitraum fand auch eine stilistische Entwicklung der Bildersprache statt, die sich in der Ausformung der Arkadenbögen manifestiert.

Sonntag, 1. Februar 2009

Objekt des Monats Februar

Bier - Das flüssige Brot der Armen

Man kann sagen, dass das Bier mindestens eine 6000 Jahre alte Geschichte besitzt. Bereits die Sumerer kannten Bier. Bei Römern und Griechen galt Bier – beliebt bei Kelten und Germanen - als Trank der Armen und Barbaren. Im April 1516 – einem Schlüsseldatum für die Biergeschichte – verabschiedete der bayerische Landstädtetag in Ingolstadt, dass zur Herstellung des Bieres nur Gerste, Hopfen und Wasser verwendet werden dürfe. Dies ist das älteste Lebensmittelrecht der Welt und hat bis heute seine Gültigkeit bewahrt.

Seit alters her dient Bier als wichtiges Nahrungsmittel. Es war vor der Einführung von Tee und Kaffee neben Buttermilch das vorherrschende Getränk im Alltag. Alkoholarmes Dünnbier, als Getränk oder in Form einer Suppe, gehörte zum täglichen Speiseplan. Ein Grund für die Aufnahme des Bieres in die Alltagskost lag in der schlechten Trinkwasserqualität.

Bier-Kult

Es wurde einem gleich bei der Ankunft in der Gaststätte ein schmaler Becher mit stinkendem, oft vom frischen Sieden noch warmen Bier aufgedrängt. Am [Kamin]Feuer musste jeder Trank öfter wiederholt werden, wobei mit förmlichen Manieren bei den einzelnen Schlucken die Hände vorgestreckt wurden.

Aus einer Reisebeschreibung von 1586

Auch heute noch hat der Trunk, etwas, das über die Befriedigung eines elementaren menschlichen Bedürfnisses hinausgeht. Das Trinken in geselliger Runde trägt auch dem Verlangen Rechnung, sich in eine unbeschwert-gelöste Verfassung zu versetzen. Darüber hinaus fällt ihm auf rechtlichem Gebiet eine bedeutsame Rolle zu: der Trunk mit Bier oder Wein galt seit der Renaissance der Bekräftigung gewichtiger Abmachungen, auch noch zu einer Zeit, in der es bereits schriftliche Vereinbarungen gab. Daher ist es verständlich, dass man der Ausgestaltung des Trinkgefäßes seit jeher große Beachtung schenkte. Kaum ein anderes Gefäß wurde in so mannigfaltigen Formen gefertigt.

Bierkenner wissen, wie viel Kenntnis und Feingespür dazu gehört, ein Bier zu genießen, es je nach Tageszeit, Laune und Jahreszeit auszuwählen und sorgfältig in den ebenfalls mit Bedacht ausgewählten Becher einzuschenken. Es gelten oft dieselben Gesetze wie für den Genuss von Wein. Typisches Biertrinkgefäß ist der Humpen. Seit der Spätrenaissance finden sich diese immer mit einem Henkel versehenen Gefäße von meist beachtlicher Größe mit zylindrischer oder gebauchter Wandung.

Humpen massenhaft

Um dem steigenden Bedarf an aufwendig dekorierten Biergefäßen aus Steinzeug zu entsprechen, entwickelte man im Kannenbäckerland in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts ein neues Herstellungsverfahren, bei dem der Krug in eine inwendig reliefierte Gipsform eingedreht wurde. Der Dekor konnte somit sehr schnell, in gleichbleibender Qualität und von weniger qualifiziertem Personal auf die Wandung der Trinkgefäße übertragen werden. 1882 gelang es, mit Hilfe einer neuen Ofentechnik zusätzlich zum graublauen Steinzeug das farbige Elfenbeinsteinzeug zu fertigen. Beim Feinsteinzeug verfärbt sich die feinst geschlämmte Tonmasse beim Brennen gleichmäßig elfenbeinfarben. Mit transparenter bleihaltiger Steingutglasur konnten die Keramiken in Braun- und Grüntönen bemalt werden. Obwohl in der Herstellung preiswerter als die graublaue Ware wurde das Elfenbeinsteinzeug bezeichnenderweise wegen des feineren Aussehens teurer verkauft. Eine besonders wichtige Käufergruppe waren die Nordamerikaner. Schon um 1890 wurde mehr als die Hälfte der Produktion dorthin verschifft. Elfenbeinsteinzeug prägte und prägt damit als altdeutsche Keramik bis heute wesentlich die Vorstellung von Old Germany.

Februar

Die in diesem Jahr aus dem Kunsthandel erworbene Biergarnitur besteht aus einer Holzplatte, sechs Halbliterhumpen und einer Kanne mit einem Fassungsvermögen von zwei Litern. Mit der Darstellung von Hopfen und Gerste nimmt die Dekoration auf der Wandung deutlichen Bezug auf den eigentlichen Verwendungszweck – ebenso wie die Inschriften der Kartuschen auf der Stirnseite der Gefäße: Gerste und Hopfen gibt Wundertropfen – Hopfen und Malz Gott erhaltäs. Schon genauer hinschauen muss man bei der kleinen Figur unterhalb des Ausgusses der großen Kanne. Sie erinnert daran, dass übermäßiger Biergenuss keineswegs die Sinne beflügelt, sondern eher zur Dummheit anregt – daher hat die Figur auch das Aussehen eines Affen!

Die Biergarnitur mit der Modellnummer 1393 wurde bald nach 1900 in einer der großen Steinzeugfabriken in Höhr-Grenzhausen gefertigt. Obwohl solche Biergarnituren zum Standardrepertoire der hiesigen Betriebe zählten und zu Tausenden gefertigt wurden, haben sich nur noch wenige solcher Ensembles vollständig erhalten.

Donnerstag, 1. Januar 2009

Objekt des Monats Januar

ch hab in meiner Apoteckn viel matern, die lieblich schmecken ...
Ein Apothekergefäß von 1591

Januar

Aufwendig verzierte Apothekergefässe zählen heute zu weltweit gesuchten keramischen Raritäten. Sie standen ursprünglich als Schau- und Aufbewahrungsgefässe im Verkaufsbereich städtischer Apotheken und sollten dem Kunden einen positiven Eindruck von der Bonität und Seriosität des Unternehmens geben. Solche Apothekengefässe, die in Italien entwickelt wurden, entstanden am Ende des 16. Jahrhunderts aus Steinzeug in Raeren, in der Folge aber auch im Westerwald. Sie lassen sich auf die in Raeren bei Aachen ansässige Familie Mennicken zurückführen. Zu dieser Familie gehörte auch Jan Emens, einer der bedeutendsten Töpfer der Renaissance.

Die Inschrift des Gefässes ist bislang noch nicht hinreichend gedeutet worden, sie dürfte sich aber auf seinen Gebrauch im Heilbereich oder auf seinen Inhalt bezogen haben.

Mit dem Apothekengefäss von Jan Emens aus dem Jahre 1591 verfügt das Keramikmuseum Westerwald nicht nur über eine sehr kostbare Keramik aus der Hand dieses Raerener Meisters. Gleichzeitig belegt das Stück den kontinenteübergreifenden Austausch der Keramiker untereinander, dessen Wurzeln im Falle unseres Apothekergefässes im Persischen Reich liegen.

Im Vergleich zu der großen Fülle von Kannen, Krügen, Humpen und Trinkbechern sind Apothekergefäße aus Steinzeug wie dieses seltener bewahrt und vermutlich in nur geringerer Zahl hergestellt worden.

Der zylindrische Körper hat eine Höhe von 21,5 cm. Er ist zum einfach profilierten Fuß und zur fast horizontalen, ebenfalls durch Profilierungen abgesetzten Lippe leicht eingezogen und unten durch senkrechte Kannelüren sowie an seiner Schulter durch feinen Kerbschnittdekor gegliedert. Die Mitte des Gefäßkörpers nimmt eine Rollwerkkartusche mit einem horizontal gerahmten Feld für eine Beschriftung ein. Die Beschriftung lautet: OF HI NIT IS VAN JUDAS GESLECHT 1591 [Ob er nicht aus Judas Geschlecht ist]. Kobaltoxid färbt den grauen Scherben blau.

Die Heimat der Apothekengefäße ist Persien ("al barani" = kleine Dose oder Vase). Hier wurden schon im 11. Jahrhundert glasierte Töpferwaren hergestellt. Da diese Behältnisse nicht porös waren, also das Durchtreten von Fett oder Öl verhinderten, eigneten sie sich zur Aufbewahrung von Ölen und Fetten in den Drogenbasaren, aus denen sich die Apotheke entwickelte. Die frühen immer zylindrisch geformten und in der Mitte der Leibung leicht eingezogenen Albarelli entlehnten ihre Form dem von zwei Knoten begrenzten Bambusstück, einem viel benutzten Verpackungsmaterial für die Rohstoffe der Apotheke. Von Persien breitete sich die Verwendung dieser Gefäße über die arabische Welt des Mittelalters nach Spanien aus, wo in der Umgebung von Valencia schon im 14. Jahrhundert kostbare goldlüstrierte Albarelli hergestellt wurden. Die spanische Produktion wurde über die Insel Majorca nach Italien exportiert, wonach dort der Name "Majolica" für diese glasierten Töpferwaren aufkam.

In Italien selbst entstand im 15. Jahrhundert eine eigene Majolika-Industrie, deren Mittelpunkt das am Nordrand des Apennines liegende Faenza wurde. Nach diesem Ort wurde den Erzeugnissen die Bezeichnung "Fayence" gegeben. Faenza und viele andere italienische Manufakturen stellten für die reichen italienischen Klöster zahlreiche prächtige Apothekengefäße her. Hier entstand auch die typische, endgültig verbindliche Form des Albarello, wahrscheinlich benannt nach dem italienischen Begriff "albarello" (= Silberpappel). Aus dem Holz der Silberpappel wurden in Norditalien ursprünglich Drogenbüchsen für Apothekergefäße gedrechselt, die als Formvorlage für die Fayencenalbarelli dienen sollten. Durch die alljährlichen Reisen venezianischer Kaufleute nach Flandern wurden im 16. Jahrhundert die italienischen Fayencen im mittleren Westen Europas bekannt.

Die am Ende des 16. Jahrhunderts von Italienern in Antwerpen hergestellten Fayencegefäße waren wahrscheinlich für viele Apotheker zu teuer, so dass dafür einheimische Produkte aus Ton oder Steinzeug einen Markt hatten. Vermutlich angeregt durch die weit verbreiteten Antwerpener Produkte beschäftigte man sich am Ende des 16. Jahrhunderts auch in Raeren mit der Herstellung solcher Apothekengefäße. Andere Orte mit Steinzeugproduktion wie Siegburg, Frechen, Köln und Creußen haben keine oder nur wenige Apothekengefäße angefertigt. Im Westerwald entstand eine Fabrikation von Apothekengefäßen, als Raerener Töpfer am Ende des 16. Jahrhunderts dorthin übersiedelten.

Während über Struktur, Entwicklung und tätige Künstler der Raerener Werkstätten wenig bekannt ist, sind die stilistischen Merkmale ihrer Erzeugnisse bekannt. In den zylindrischen Drogengefäßen nimmt Raeren den sogenannten Westerwaldstil vorweg: unser charakteristisch geformtes Stück besitzt geschuppte Schulter, blau ausgegründete Ornamentbordüren und eine aufgemodelte Rollwerkkartusche, deren Inschrift das Datum 1591 trägt. Den ältesten deutschen Apothekenfayencen aus Creußen gleich, führt auch dieses Steinzeuggefäß keine pharmazeutische Aufschrift.

Wie wir später sehen werden, ist die Beschriftung in platt-niederdeutscher oder platt-holländischer Sprache lesbar, hat allerdings zumindest keinen erkennbaren pharmazeutischen Bezug. Auch der tätige Künstler ist feststellbar, denn die Signatur des Stückes I E weist auf Jan Emens. Dieser Keramiker, der seine Produkte voller Stolz signierte, ist eine in Raeren herausragende Künstlerpersönlichkeit und zwar für Gefäßformen ebenso wie für Dekore. Seinen mit Namenszeichen versehenen Krügen kommt wegen ihrer vollendeten Form und ihres Schmuckes wohl die größte Bedeutung zu. Jan Emens arbeitete schon im Jahre 1558 und wird noch 1591 genannt. Nachdem er gestorben und einige Meister der Familien Mennicken und Kalf nach dem Westerwald verzogen waren, hatte Jan Baldem (Mennicken) den größten und tätigsten Betrieb in Raeren. Von ihm kennen wir 1602-1605 datierte Stücke. Es muss aber daran erinnert werden, dass die auf der Gefäßwandung angebrachten Daten nicht das Alter des Gefäßes, sondern die Herstellungszeit der Matrize und somit den terminus post quem angeben – als jenen Zeitpunkt, an dem das Gefäß frühestens entstanden ist. Es kann aber auch mit derselben Negativform noch Jahrzehnte später entstanden sein. Jan Baldem (Mennicken) machte sich von der an Reliefmatrizen gebundenen Form frei und bediente sich - wie im Westerwald seit Anfang des 17. Jahrhunderts üblich - der handgeschnittenen Rankornamente, die er auf die ganze Leibung der Gefäße verteilte.

Jan Emens hat um 1590 zum Belag seiner Apothekentöpfe eine Anzahl Zierschilder mit Rollwerkrahmen gestochen, die in der Regel Inschriften in seinen kennzeichnenden Kapitalbuchstaben enthalten. Die Rollwerkrahmen sind nach Stichen des Antwerpener Künstlers Jakob Floris angefertigt. Einige der häufigeren Sprüche lauten:

Tenor ich heb empor I E I590

Frauwe rechent noch nycht I E 1590

Waepen oever de moerrt I E M

Of hi nit en is van judas geslecht I E 1591

Dat was Dergen der mich verreit I E M 1591

Schoene Woerden sonder goenst is ein Art van Iuda Konst Y E M 1591

Wilt den Herren wt Lieffden met Loefsanck sengen und malkan dren vrintelick einen toe brengen I E 159

Irgendein Zusammenhang zwischen dem Wortlaut der Sprüche und dem Zweck der Gefäße ist bis jetzt nicht nachzuweisen. Die bislang bestehende Forschungsmeinung geht dahin, dass Jan Emens seinen Krügen mehr oder minder lange Sprüchlein gab, die, je wortreicher sie ausfielen, um so unverständlicher erscheinen. Der Schlüssel zu den heute für uns völlig unverständlichen Sinnsprüchen dürfte in der im Holland des ausgehenden 16. Jahrhunderts entwickelten Emblematik liegen. Dort sah man es als besondere intellektuelle Kunst an, durch Sinnsprüche und Bildworte den eigentlich zu gebenden Hinweis bis zur Unkenntnis zu verfremden – und damit Bildungsstand und Lebenserfahrung an den Tag zu legen. Andererseits konnte man somit Heilmittel für "peinliche" Krankheiten, wie beispielsweise die Behandlung der weit verbreiteten Syphilis durch Quecksilber, dezent und nur für den Eingeweihten kenntlich machen. Gerade in der Sinnzuweisung der alleine in Raeren mehr als fünfhundert Inschriften auf reliefverziertem Steinzeug liegt sicher einer der Schlüssel zur vollständigen Erschließung der Gefäße selbst und ihres Funktionszusammenhangs im Sinne einer ganzheitlichen Erfassung einer der herausragenden kunsthandwerklichen Erzeugnisse der ausgehenden Renaissance.

Montag, 1. Dezember 2008

Objekt des Monats Dezember

Wegweisend: Elfriede Balzar-Kopp

Vor wenigen Wochen erwarb das Keramikmuseum Westerwald aus dem Kunsthandel eine 28 Zentimeter hohe Büste einer Frau mit Kind aus salzglasiertem Steinzeug. Die Signatur auf dem Boden weist die Keramik als eine gegen 1930 entstandene Arbeit der Höhr-Grenzhäuserin Elfriede Balzar-Kopp (1904- 1983) aus. Die Keramikerin gilt als Wiederentdeckerin und Erneuerin der Tradition des salzglasierten Steinzeugs im Westerwald. Ihr Lebenswerk ist unüberschaubau. Es ist vielfältig und vielschichtig und hat ihr bis heute weltweite Anerkennung eingetragen.

Dezember

Ein Sinnbild für Geborgenheit

Die Büste von Elfriede Balzar-Kopp wirkt auf den ersten Blick einfach, unspektakulär. Man erkennt eine junge Frau, die ihrer beiden Hände auf die Halbfigur eines kleinen Kindes vor ihr gelegt hat. In der Handhaltung und den Gesichtszügen erkennt man jene Mutterliebe wieder, die eine große Zahl von zeitgleich entstandenen Madonnen aus der Hand der Westerwälder Keramikerin auszeichnen.

Typisch für die Neue Sachlichkeit

Die Keramik ist ein Paradebeispiel der Neuen Sachlichkeit. Die Künstler der 30er Jahre, die sich zum Wohl der breiten Volksschichten um eine Verbesserung des Kunsthandwerks bemühten, folgten ihren Vorgängern, den von Idealen geleiteten Künstlern des Jugendstils. So konstruiert und inhaltsarm die Kunst des dritten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts bei flüchtiger Betrachtung scheint, ist sie doch von einem selbstlosen und auf neue Weise gefühlsbetonten Idealismus getragen. Dazu Piet Mondrian: Das Leben des heutigen Kulturmenschen wendet sich mehr und mehr vom Natürlichen ab; es wird immer mehr abstraktes Leben. Diese geistigen Voraussetzungen sollten bis 1939 die Werke der Angewandten Kunst prägen. In Deutschland dominierten damals bei intellektuellen Künstlern die Ansichten des Bauhauses, die durch den Werkbund verbreitet wurden: Form ohne Ornament, Technik und Kunst, eine neue Einheit waren die Programme, nach denen sich die Avantgardisten unter den Künstlern richteten. Auch der Anspruch der Materialgerechtigkeit als Wertmaßstab wurde damals geprägt und hat sich in Deutschland bis heute weitgehend gehalten. Die Schönheit eines Objektes verstand man in der Harmonie der Proportionen und der zweckentsprechenden Konstruktion.

Das Werk von Elfriede Balzar-Kopp ist geprägt von den Einflüssen der Neuen Sachlichkeit. Seit Gründung ihrer Werkstatt im Jahre 1927 in Höhr-Grenzhausen hat sich die Keramikerin ununterbrochen mit der Reduktion von Formen und ihrer Rückführung auf wesentliche Gestaltungselemente auseinandergesetzt. Gleichzeitig trat sie vehement dafür ein, dass die Herstellung von salzglasiertem Steinzeug wieder als eine handwerklich hochstehende Töpferkunst anerkannt wird. Heute hat diese Technik selbst im Ausland, besonders in den USA, wieder begeisterte Nachahmer gefunden. Neben Elfriede Balzar-Kopp ist in diesem Zusammenhang auch Wim Mühlendyck zu nennen. Als beide ihre Werkstätten in Höhr-Grenzhausen gründeten, war das heimische Töpfergewerbe nicht völlig ausgestorben. Aus alten Werkstätten hatten sich in der Gründerzeit Manufakturen entwickelt, die industriell große Mengen von Steinzeug herstellten und in viele Länder Europas exportierten. Das echte gewachsene Töpferhandwerk aber war durch die Industrie zum Erliegen gekommen. Durch die Verdienste der beiden jungen Töpfer konnte es wieder aufleben.


Bei Beginn ihres Schaffens fertigte Elfriede Balzar-Kopp vor allem benutzbares keramisches Geschirr von einfacher, handlicher und unempfindlicher Form. Ihre Teekannen, Teller, Tassen, Krüge und Becher fanden gerade bei den Menschen guten Absatz, denen der überzüchtete Lebensstil begüterter und verwöhnter Großbürger fremd war und die nach den schweren Jahren der Inflation dauerhafte Anschaffungen machen wollten. Doch wegen der schon immer hohen Brennkosten war Steinzeug auch damals nicht billig. Man schätzte an diesen Gefäßen aber, dass sie solide und robust waren und ihre Herkunft aus der Hand des Töpfers deutlich zeigten. Der Erfolg dieser Geschirre war groß und ihr Stil machte in den dreißiger Jahren rasch Schule. Ihre einfachen Grundformen begünstigten ihre Nachschickten Töpfern nachgearbeitet werden konnten. Zudem bestätigten die internationalen Auszeichnungen von Elfriede Balzar-Kopp der Allgemeinheit, dass die Stilrichtung willkommen war. Während ihr Erfolg bis heute nachklingt, wurden im Westerwald die Erneuerungsversuche eines Henry van de Velde oder eines Richard Riemerschmid verhältnismäßig rasch vergessen, denn die Künstler des beginnenden 20. Jahrhunderts hatten ihre Arbeiten in einem zu sehr zeitbegrenzten Stil, dem Jugendstil, entworfen, deren meist komplizierte Struktur sich auf der Töpferscheibe nicht nachahmen ließ.

Die neue Stilrichtung von Elfriede Balzar-Kopp fand aber auch deshalb bei der einheimischen Bevölkerung Verständnis, Gefallen und Anerkennung, weil die Künstlerin die Dekorationsweisen ihrer Arbeiten der Tradition des Westerwaldes entlehnte. Die Redtechnik, ohne deren Beherrschung im 18. Jahrhundert kein Töpfer des Westerwaldes seine Meisterprüfung hätte ablegen können, wurde von Elfriede Balzar-Kopp und Wim Mühlendyck wiederentdeckt und als schwungvolle Ritzzeichnung in die Gefäßwandungen eingegraben. Daneben griff sie auch auf die Knibisstechnik zurück, die als fortlaufendes oder fächerförmiges Zickzackband schon seit dem 17. Jahrhundert im Westerwald bekannt ist, von ihr aber zu neuen Ornamentbändern verwandt wird. Wie im Westerwald von jeher üblich, malte sie auch mit dem Pinsel Ornamente und Figuren blau auf grau, aber sie entwickelte hierbei einen Schwung und einen sicheren Strich, wie beides nur ein ausgebildeter und begabter Künstler erreichen kann.

Sehr vielseitig waren die Aufgaben, die Elfriede Balzar-Kopp sich immer selbst gestellt hat. Seit ihrer Lehrzeit in Karlsruhe baute sie Plastiken, vor allem Tierplastiken, frei auf. Hier ist der Einfluss ihres Lehrers, Professor König, stark zu spüren. Auch Max Laeuger hatte in der Lehrzeit auf sie eingewirkt. Mehr und mehr aber fand Elfriede Balzar-Kopp zu ihrem persönlichen Stil, zur Vereinfachung der Formen, wofür die Mutter mit Kind, die als überarbeitete, gedrehte Figur auf der Scheibe entstand, besonders charakteristisch ist. Bei der Gestaltung von Figuren ging ihre Entwicklung vom Realismus zur Abstraktion. Es ist eine Entwicklung, welche für Künstler des 20. Jahrhunderts allgemein kennzeichnend ist. Elfriede Balzar-Kopp hat ihre Art der Abstraktion, die Abstraktion auf der Töpferscheibe, sehr früh gefunden.

Donnerstag, 20. November 2008

Ästhetik und Tradition

Zur Zeit ist Japan zu Gast im Keramikmuseum: die Ausstellung zum Thema japanische Gebrauchskeramik wurde am vergangenen Freitag im Keramikmuseum eröffnet. Den etwa 150 Gästen wurde der Zugang zu den Keramiken durch die einführenden Worte des japanischen Keramikers Aisako Suzuki erleichtert. Herr Suzuki lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Breisach. Er erläuterte in Zeichnungen und Worten die in Japan bestimmende Idee der Leere, der Leerheit, des Nicht-Alles-Sagens und der hieraus resultierenden Kunst - zwischen den Zeilen - zu lesen.

Essen und Trinken als eher ritualisierte Handlungsabläufe zu akzeptieren erklärt auch, warum es bestimmter Gefäße hierfür bedarf. Deutsche Küche – von der Vorspeise, über das Hauptmenü bis zum Nachtisch - wird bestimmt durch die zeitliche Abfolge: Speisen passen nacheinander. Japanische Esskultur serviert vielseitiges Essen nebeneinander, in bestimmten Anordnungen und Dekorationen auf bis zu 40 Schüsselchen und Platten, Mahlzeiten werden in Abhängigkeit vom jeweiligen Gericht und der jeweiligen Jahreszeit serviert. Wenige, künstlerisch komponierte Speisen bieten sich an zum Genießen, können parallel verzehrt und kombiniert werden: die Ausrichtung ist räumlich.

Im Bereich der Gebrauchskeramik ist die Nutzung im Rahmen der Teezeremonie bestimmend für die Form einer Teeschale. Man akzeptiert in der japanischen Ästhetik bei Keramik Spuren der Herstellung, insbesondere Spuren des Brandes sowie bewusst vorgenommene Verformungen. Diese sind im Gegensatz zu den als langweilig angesehenen symmetrischen Formen hochgeschätzt. Kunstvolle Natürlichkeit wird gesucht.

Die Ausstellung im Keramikmuseum zeigt zum einen Arbeiten aus der im Besitz des Museums befindlichen Sammlung des deutschen Diplomaten Dietrich Schäfer, der in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Tokio tätig war. Der größte Teil der Ausstellung wird bestimmt durch die Exponate, die aus der Sammlung Drs. A. und W. Crueger stammen. Diese wurde seit 1970 bis in die Gegenwart bei zahlreichen Besuchen japanischer Töpferorte zusammengetragen. Der Besucher erhält ein umfassendes Bild zu den einzelnen Töpferorten und deren ungebrochener Tradition in der Keramikherstellung mit hohem Qualitätsstandart.

Zur Ausstellungseröffnung gab es japanische Musik, die von zwei Koto-Spielerinnen im traditionellen Kimono vorgetragen wurde.

Gezeigt werden auch Videofilme zu japanischer Keramik und deren Herstellung. Die Texte sind in Englisch.

Die Ausstellung ist noch bis zum 18.11.2001 zu sehen.

Im Zusammenhang mit der Ausstellung japanischer Gebrauchskeramik fand im Museum am 22./23.9.2001 eine zwei Tage währende Bonsai- Ausstellung statt. Die Westerwälder Bonsaifreunde zeigten ihre Bäume und Sträucher, die zum Teil älter als 80 Jahre waren. Die Gruppe arbeitet bereits seit 1982 zusammen, der jüngste Bonsaifreund ist gerade mal 14 Jahre alt. Es gab Bäume zum Kaufen und Infomaterial. Viele der Besucher ließen sich das Pflegen und Beschneiden der Bäume erklären und blieben bei den Vorführungen dabei, bis der letzte Schnitt und die letzte Bandage fest saß.

Donnerstag, 30. Oktober 2008

Japantag

Der Japantag im Keramikmuseum Westerwald am Sonntag, den 7.10. 2001 war ein voller Erfolg:
die Tentekko Taiko-Trommlerinnen vor dem Museum hatten Power genug, trotz des schönen Wetters auch noch den letzten Spaziergänger ins Keramik-Museum einzuladen.

Drinnen waren die Arbeitstische für Origami völlig ausgebucht und aus japanischen Kalenderblättern und buntem Papier wurde begeistert gefaltet und gezupft. Die Künstlerinnen am Tisch für Kalligraphie schufen mit wenigen konzentriert durchgeführten Pinselstrichen aus ganz normalen Namen wie "Peter" oder "Marie" kunstvolle Bildwerke.
Mit sorgfältig angelegten Kimonos wurden aus Kindern und Erwachsenen zierliche japanische Persönlichkeiten.

Der Duft der Blumen und Gräser für Ikebana zog durch das gesamte Museum und die schönen Gestecke wurden ständig fotografiert, bewundert und als fertige Werke auf Podesten ausgestellt.
Parallel wurden ständig 4 Filme gezeigt, die Einblick gaben in das Fertigen, Dekorieren und Brennen japanischer Keramik.
Japanische Wohnkunst und alltägliche japanische Gebrauchsgegenstände rundeten das Bild der Kultur Japans zu einer Einheit.

Freitag, 10. Oktober 2008

Günter Schwebsch

Am 26.10.2001 wurde im Keramikmuseum Westerwald eine Sonderausstellung mit Bildern des Malers Günther Schwebsch eröffnet.

Fast 200 Besucher fanden sich zur Ausstellungseröffnung ein, deren Schirmherrschaft der Bürgermeister der Stadt Höhr-Grenzhausen, Herr Jürgen Johannsen übernommen hatte.

Für die musikalische Gestaltung zeichnete Herr Studiendirektor Rolf P. Schwickert sowie Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Kannenbäckerland verantwortlich, die in Variationen die Buchstaben des Künstlernamens "SCHWEBSCH" - jedoch ohne das "W" spielten.

Zeichnungen, Aquarelle und abstrakte Malereien in Öl dokumentieren den künstlerischen Weg eines Malers, der sich seit Kindheitstagen mit Stift und Pinsel engagierte.

Die intensiven Farbwelten der Ölbilder bestimmen bis zum 25.11.2001 die Räume des Vortragssaales im Museum - der Erlös aus dem Verkauf der Werke geht einer Stiftung zu, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Kunst und Kultur, sowie Jugend- und Altenhilfe im Raum Höhr-Grenzhausen zu fördern.

Mittwoch, 1. Oktober 2008

Objekt des Monats November

Gefäße aus salzglasiertem Steinzeug, die mit einem Sechsstern verziert sind, gehören zu den seltenen Sammlungsstücken von Museen. Gelegentlich findet man sie in Judaika-Ausstellungen, deren Bearbeiter den Sechsstern als "Davidstern" interpretieren, ohne dass ein Verwendungsnachweis die jüdische Herkunft belegen könnte. Vielfach belegbar ist dagegen der Sechsstern als Zunftzeichen der Brauer und Mälzer.

November

Der Sechsstern als Symbol

In der älteren volkskundlichen Literatur wird der Sechsstern vor allem in der wohl verbreitetsten Variante, dem von seinem Halbmesser in sechs gleiche Teile geteilten Kreis, als Symbolfigur beschrieben. Die deutsche Bauernkunst verwendet den Sechsstern in vielen Spielarten, als geraden Zackenstern und auch in der als "Davidstern" bekannten Form von zwei sich durchdringenden Dreiecken, dem Hexagramm. Es ist dem Pentagramm, dem Hexenstern oder eigentlichen Drudenfuß verwandt. Es soll an dieser Stelle der Ursprung und die mystische Bedeutung dieses Sechssternes nicht weiter untersucht werden. Fest steht offenbar, dass er über den Orient nach Europa kam und hier in den sogenannten Schlüsselfiguren der Bauhütten und vor allem in der volkstümlichen Zauberei Eingang und Verbreitung fand. Der Davidstern als Symbol des jüdischen Volkes leitet sich von einem Ring des Königs Salomon ab, in dem ein solches Hexagramm eingeschnitten war. Dieses sogenannte "Großsiegel Salomons" erscheint auch heute noch in der Flagge des Staates Israel. Selbstverständlich zierte dieser Davidstern eine Vielzahl von Gegenständen sowohl für den täglichen als auch für den kultischen Gebrauch der Juden. Unrühmliche Popularität hatte er als "Judenstern" im Dritten Reich.

Der Sechsstern auf Steinzeugkannen

Im Keramikmuseum Westerwald befindet sich eine nach oben hin sich konisch verjüngende Kanne mit flachem Boden und deutlich abgesetztem Halsstück. Dem Henkel gegenüber befindet sich ein Ausguss. In der Fuß- und Halszone sind jeweils mehrere umlaufende flache Wülste angeordnet.

Dieser Kannentyp ist unter den keramischen Formen selten. Formales Vorbild ist wohl in den von Holz in Gestalt eines abgekürzten Kegels geböttcherten "Schleifkannen" zu suchen. Diese Gefäße gehörten zum Trinkgerät der Landbewohner, besonders bei den Feldarbeiten. Im Zusammenhang mit der Bierbrauerei sind für diesen Gefäßtyp die Bezeichnungen "Bierkegel" und "Bitsche" geläufig. Die gerade Wandung der Steinzeugkanne findet ihr direktes Vorbild in der für die hölzerne Version zwangsläufig geradlinigen Ausbildung der Holzdauben, die umlaufenden Wülste analog dazu in den bei geböttcherten Gefäßen zum Zusammenhalten notwendigen Holz- oder Blechstreifen. Die Schauseite der Kanne aus dem Keramikmuseum Westerwald ist mit einem geritzten Sechsstern versehen. Dieser Stern ist kobaltblau ausgelegt und beherrscht den sonst schmucklosen Gefäßkörper.

Der Sechsstern als Firmenzeichen

Besonders interessant scheint in diesem Zusammenhang auch eine Fabrikmarke der in Grenzhausen im Westerwald ansässigen Steinzeufabrik Reinhold Merkelbach. Die Marke, die ab 1882 in Gebrauch gewesen sein soll, fand vor allem bei historisierender Ware Anwendung. Die Fabrikmarke in Form eines Sechssterns mit den eingepassten Initialen Reinhold Merkelbachs wurde als Warenzeichen am 28. Januar 1895 beim Patentamt angemeldet, muss aber bereits 1892 in Gebrauch gewesen sein. Die Firma Merkelbach hat vor allem Bierhumpen in größerer Stückzahl für den süddeutschen Markt hergestellt. Von daher ist die Verwendung eines für die Bierherstellung überlieferten Zeichens als Fabrikmarke nicht allzu weit hergeholt.

Der Braukrug: ein Konkurrenzprodukt?

Ob man daraus jedoch auch folgern könnte, dass die vorgestellte Kanne aus dem Kannenbäckerland stammt, bleibt zweifelhaft. Georges Klein, der beste Kenner der Elsässischen Keramik, sieht die Kannen mit dem Sechsstern als eigenständige Entwicklung der Betschdorfer Steinzeugtöpfer. Insbesondere die nach 1870 in Straßburg stationierten Soldaten aus Bayern konnten sich - zumindest nach Klein - mit den aus dem Westerwald kommenden Humpenformen nicht anfreunden. Die Töpfer mussten demnach außer den üblichen noch eine zweite Sorte, eben jene sich nach oben hin verengende, herstellen, die zugleich mehr Fassungsvermögen aufwies.

Der Sechsstern als Zunftzeichen der Brauer

Eine der ältesten bekannten Darstellungen des Sechssterns in Zusammenhang mit der Bierbrauerei findet sich auf einer zwischen 1425 und 1436 entstandenen Zeichnung im Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung zu Nürnberg. Alchemistisch gedeutet besteht der Sechsstern aus zwei gleichseitigen Dreiecken. Er symbolisiert die vier Hauptelemente der Welt: Wasser, Erde, Feuer und Luft, ist damit Ausdruck eines biochemischen Systems. Die Erde erzeugt Gerste und Hopfen, gekocht mit Wasser und Feuer, gegärt an der Luft. Der Sechsstern hatte in früheren Zeiten eine überregionale Bedeutung für das Braugewerbe. Er war das Markenzeichen dieses Handwerks schlechthin und wurde insbesondere am Ende des 18. Jahrhunderts und vor allem im 19. Jahrhundert auch zum Erkennungszeichen der vielen Privatbrauereien in den Gasthäusern landauf und landab.

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