Montag, 1. Dezember 2008

Objekt des Monats Dezember

Wegweisend: Elfriede Balzar-Kopp

Vor wenigen Wochen erwarb das Keramikmuseum Westerwald aus dem Kunsthandel eine 28 Zentimeter hohe Büste einer Frau mit Kind aus salzglasiertem Steinzeug. Die Signatur auf dem Boden weist die Keramik als eine gegen 1930 entstandene Arbeit der Höhr-Grenzhäuserin Elfriede Balzar-Kopp (1904- 1983) aus. Die Keramikerin gilt als Wiederentdeckerin und Erneuerin der Tradition des salzglasierten Steinzeugs im Westerwald. Ihr Lebenswerk ist unüberschaubau. Es ist vielfältig und vielschichtig und hat ihr bis heute weltweite Anerkennung eingetragen.

Dezember

Ein Sinnbild für Geborgenheit

Die Büste von Elfriede Balzar-Kopp wirkt auf den ersten Blick einfach, unspektakulär. Man erkennt eine junge Frau, die ihrer beiden Hände auf die Halbfigur eines kleinen Kindes vor ihr gelegt hat. In der Handhaltung und den Gesichtszügen erkennt man jene Mutterliebe wieder, die eine große Zahl von zeitgleich entstandenen Madonnen aus der Hand der Westerwälder Keramikerin auszeichnen.

Typisch für die Neue Sachlichkeit

Die Keramik ist ein Paradebeispiel der Neuen Sachlichkeit. Die Künstler der 30er Jahre, die sich zum Wohl der breiten Volksschichten um eine Verbesserung des Kunsthandwerks bemühten, folgten ihren Vorgängern, den von Idealen geleiteten Künstlern des Jugendstils. So konstruiert und inhaltsarm die Kunst des dritten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts bei flüchtiger Betrachtung scheint, ist sie doch von einem selbstlosen und auf neue Weise gefühlsbetonten Idealismus getragen. Dazu Piet Mondrian: Das Leben des heutigen Kulturmenschen wendet sich mehr und mehr vom Natürlichen ab; es wird immer mehr abstraktes Leben. Diese geistigen Voraussetzungen sollten bis 1939 die Werke der Angewandten Kunst prägen. In Deutschland dominierten damals bei intellektuellen Künstlern die Ansichten des Bauhauses, die durch den Werkbund verbreitet wurden: Form ohne Ornament, Technik und Kunst, eine neue Einheit waren die Programme, nach denen sich die Avantgardisten unter den Künstlern richteten. Auch der Anspruch der Materialgerechtigkeit als Wertmaßstab wurde damals geprägt und hat sich in Deutschland bis heute weitgehend gehalten. Die Schönheit eines Objektes verstand man in der Harmonie der Proportionen und der zweckentsprechenden Konstruktion.

Das Werk von Elfriede Balzar-Kopp ist geprägt von den Einflüssen der Neuen Sachlichkeit. Seit Gründung ihrer Werkstatt im Jahre 1927 in Höhr-Grenzhausen hat sich die Keramikerin ununterbrochen mit der Reduktion von Formen und ihrer Rückführung auf wesentliche Gestaltungselemente auseinandergesetzt. Gleichzeitig trat sie vehement dafür ein, dass die Herstellung von salzglasiertem Steinzeug wieder als eine handwerklich hochstehende Töpferkunst anerkannt wird. Heute hat diese Technik selbst im Ausland, besonders in den USA, wieder begeisterte Nachahmer gefunden. Neben Elfriede Balzar-Kopp ist in diesem Zusammenhang auch Wim Mühlendyck zu nennen. Als beide ihre Werkstätten in Höhr-Grenzhausen gründeten, war das heimische Töpfergewerbe nicht völlig ausgestorben. Aus alten Werkstätten hatten sich in der Gründerzeit Manufakturen entwickelt, die industriell große Mengen von Steinzeug herstellten und in viele Länder Europas exportierten. Das echte gewachsene Töpferhandwerk aber war durch die Industrie zum Erliegen gekommen. Durch die Verdienste der beiden jungen Töpfer konnte es wieder aufleben.


Bei Beginn ihres Schaffens fertigte Elfriede Balzar-Kopp vor allem benutzbares keramisches Geschirr von einfacher, handlicher und unempfindlicher Form. Ihre Teekannen, Teller, Tassen, Krüge und Becher fanden gerade bei den Menschen guten Absatz, denen der überzüchtete Lebensstil begüterter und verwöhnter Großbürger fremd war und die nach den schweren Jahren der Inflation dauerhafte Anschaffungen machen wollten. Doch wegen der schon immer hohen Brennkosten war Steinzeug auch damals nicht billig. Man schätzte an diesen Gefäßen aber, dass sie solide und robust waren und ihre Herkunft aus der Hand des Töpfers deutlich zeigten. Der Erfolg dieser Geschirre war groß und ihr Stil machte in den dreißiger Jahren rasch Schule. Ihre einfachen Grundformen begünstigten ihre Nachschickten Töpfern nachgearbeitet werden konnten. Zudem bestätigten die internationalen Auszeichnungen von Elfriede Balzar-Kopp der Allgemeinheit, dass die Stilrichtung willkommen war. Während ihr Erfolg bis heute nachklingt, wurden im Westerwald die Erneuerungsversuche eines Henry van de Velde oder eines Richard Riemerschmid verhältnismäßig rasch vergessen, denn die Künstler des beginnenden 20. Jahrhunderts hatten ihre Arbeiten in einem zu sehr zeitbegrenzten Stil, dem Jugendstil, entworfen, deren meist komplizierte Struktur sich auf der Töpferscheibe nicht nachahmen ließ.

Die neue Stilrichtung von Elfriede Balzar-Kopp fand aber auch deshalb bei der einheimischen Bevölkerung Verständnis, Gefallen und Anerkennung, weil die Künstlerin die Dekorationsweisen ihrer Arbeiten der Tradition des Westerwaldes entlehnte. Die Redtechnik, ohne deren Beherrschung im 18. Jahrhundert kein Töpfer des Westerwaldes seine Meisterprüfung hätte ablegen können, wurde von Elfriede Balzar-Kopp und Wim Mühlendyck wiederentdeckt und als schwungvolle Ritzzeichnung in die Gefäßwandungen eingegraben. Daneben griff sie auch auf die Knibisstechnik zurück, die als fortlaufendes oder fächerförmiges Zickzackband schon seit dem 17. Jahrhundert im Westerwald bekannt ist, von ihr aber zu neuen Ornamentbändern verwandt wird. Wie im Westerwald von jeher üblich, malte sie auch mit dem Pinsel Ornamente und Figuren blau auf grau, aber sie entwickelte hierbei einen Schwung und einen sicheren Strich, wie beides nur ein ausgebildeter und begabter Künstler erreichen kann.

Sehr vielseitig waren die Aufgaben, die Elfriede Balzar-Kopp sich immer selbst gestellt hat. Seit ihrer Lehrzeit in Karlsruhe baute sie Plastiken, vor allem Tierplastiken, frei auf. Hier ist der Einfluss ihres Lehrers, Professor König, stark zu spüren. Auch Max Laeuger hatte in der Lehrzeit auf sie eingewirkt. Mehr und mehr aber fand Elfriede Balzar-Kopp zu ihrem persönlichen Stil, zur Vereinfachung der Formen, wofür die Mutter mit Kind, die als überarbeitete, gedrehte Figur auf der Scheibe entstand, besonders charakteristisch ist. Bei der Gestaltung von Figuren ging ihre Entwicklung vom Realismus zur Abstraktion. Es ist eine Entwicklung, welche für Künstler des 20. Jahrhunderts allgemein kennzeichnend ist. Elfriede Balzar-Kopp hat ihre Art der Abstraktion, die Abstraktion auf der Töpferscheibe, sehr früh gefunden.

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