Sonntag, 1. Februar 2009

Objekt des Monats Februar

Bier - Das flüssige Brot der Armen

Man kann sagen, dass das Bier mindestens eine 6000 Jahre alte Geschichte besitzt. Bereits die Sumerer kannten Bier. Bei Römern und Griechen galt Bier – beliebt bei Kelten und Germanen - als Trank der Armen und Barbaren. Im April 1516 – einem Schlüsseldatum für die Biergeschichte – verabschiedete der bayerische Landstädtetag in Ingolstadt, dass zur Herstellung des Bieres nur Gerste, Hopfen und Wasser verwendet werden dürfe. Dies ist das älteste Lebensmittelrecht der Welt und hat bis heute seine Gültigkeit bewahrt.

Seit alters her dient Bier als wichtiges Nahrungsmittel. Es war vor der Einführung von Tee und Kaffee neben Buttermilch das vorherrschende Getränk im Alltag. Alkoholarmes Dünnbier, als Getränk oder in Form einer Suppe, gehörte zum täglichen Speiseplan. Ein Grund für die Aufnahme des Bieres in die Alltagskost lag in der schlechten Trinkwasserqualität.

Bier-Kult

Es wurde einem gleich bei der Ankunft in der Gaststätte ein schmaler Becher mit stinkendem, oft vom frischen Sieden noch warmen Bier aufgedrängt. Am [Kamin]Feuer musste jeder Trank öfter wiederholt werden, wobei mit förmlichen Manieren bei den einzelnen Schlucken die Hände vorgestreckt wurden.

Aus einer Reisebeschreibung von 1586

Auch heute noch hat der Trunk, etwas, das über die Befriedigung eines elementaren menschlichen Bedürfnisses hinausgeht. Das Trinken in geselliger Runde trägt auch dem Verlangen Rechnung, sich in eine unbeschwert-gelöste Verfassung zu versetzen. Darüber hinaus fällt ihm auf rechtlichem Gebiet eine bedeutsame Rolle zu: der Trunk mit Bier oder Wein galt seit der Renaissance der Bekräftigung gewichtiger Abmachungen, auch noch zu einer Zeit, in der es bereits schriftliche Vereinbarungen gab. Daher ist es verständlich, dass man der Ausgestaltung des Trinkgefäßes seit jeher große Beachtung schenkte. Kaum ein anderes Gefäß wurde in so mannigfaltigen Formen gefertigt.

Bierkenner wissen, wie viel Kenntnis und Feingespür dazu gehört, ein Bier zu genießen, es je nach Tageszeit, Laune und Jahreszeit auszuwählen und sorgfältig in den ebenfalls mit Bedacht ausgewählten Becher einzuschenken. Es gelten oft dieselben Gesetze wie für den Genuss von Wein. Typisches Biertrinkgefäß ist der Humpen. Seit der Spätrenaissance finden sich diese immer mit einem Henkel versehenen Gefäße von meist beachtlicher Größe mit zylindrischer oder gebauchter Wandung.

Humpen massenhaft

Um dem steigenden Bedarf an aufwendig dekorierten Biergefäßen aus Steinzeug zu entsprechen, entwickelte man im Kannenbäckerland in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts ein neues Herstellungsverfahren, bei dem der Krug in eine inwendig reliefierte Gipsform eingedreht wurde. Der Dekor konnte somit sehr schnell, in gleichbleibender Qualität und von weniger qualifiziertem Personal auf die Wandung der Trinkgefäße übertragen werden. 1882 gelang es, mit Hilfe einer neuen Ofentechnik zusätzlich zum graublauen Steinzeug das farbige Elfenbeinsteinzeug zu fertigen. Beim Feinsteinzeug verfärbt sich die feinst geschlämmte Tonmasse beim Brennen gleichmäßig elfenbeinfarben. Mit transparenter bleihaltiger Steingutglasur konnten die Keramiken in Braun- und Grüntönen bemalt werden. Obwohl in der Herstellung preiswerter als die graublaue Ware wurde das Elfenbeinsteinzeug bezeichnenderweise wegen des feineren Aussehens teurer verkauft. Eine besonders wichtige Käufergruppe waren die Nordamerikaner. Schon um 1890 wurde mehr als die Hälfte der Produktion dorthin verschifft. Elfenbeinsteinzeug prägte und prägt damit als altdeutsche Keramik bis heute wesentlich die Vorstellung von Old Germany.

Februar

Die in diesem Jahr aus dem Kunsthandel erworbene Biergarnitur besteht aus einer Holzplatte, sechs Halbliterhumpen und einer Kanne mit einem Fassungsvermögen von zwei Litern. Mit der Darstellung von Hopfen und Gerste nimmt die Dekoration auf der Wandung deutlichen Bezug auf den eigentlichen Verwendungszweck – ebenso wie die Inschriften der Kartuschen auf der Stirnseite der Gefäße: Gerste und Hopfen gibt Wundertropfen – Hopfen und Malz Gott erhaltäs. Schon genauer hinschauen muss man bei der kleinen Figur unterhalb des Ausgusses der großen Kanne. Sie erinnert daran, dass übermäßiger Biergenuss keineswegs die Sinne beflügelt, sondern eher zur Dummheit anregt – daher hat die Figur auch das Aussehen eines Affen!

Die Biergarnitur mit der Modellnummer 1393 wurde bald nach 1900 in einer der großen Steinzeugfabriken in Höhr-Grenzhausen gefertigt. Obwohl solche Biergarnituren zum Standardrepertoire der hiesigen Betriebe zählten und zu Tausenden gefertigt wurden, haben sich nur noch wenige solcher Ensembles vollständig erhalten.

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